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Tödlicher Angriff in SchwedenDrei junge Opfer und ein 16-jähriger Tatverdächtiger

Die Polizei in der schwedischen Stadt Uppsala untersucht den Angriff auf Verbindungen ins Bandenmilieu – und spricht von einem „neuen Niveau“ der Tat.

Polizisten nahe dem Tatort am Vaksala-Platz in Uppsala Foto: Fredrik Sandberg/TT/reuters

Uppsala/Härnösand taz | Mitten in der Stadt, mitten am Nachmittag, mitten in der traditionellen Festwoche zur Walpurgisnacht werden im schwedischen Uppsala drei Menschen erschossen. Der Tatort: ein Friseursalon. Die Todesopfer: zwischen 15 und 20 Jahre alt. Unter Tatverdacht festgenommen: ein 16-Jähriger.

Die Polizei hat in dem Land mit seinem Bandenkriminalität-Problem schon einiges gesehen, auch in der Universitätsstadt 60 Kilometer nördlich von Stockholm. Aber für sie sei dies ein neues Level, sagte die lokale Polizeichefin Åsa Larsson auf einer Pressekonferenz Mittwoch, dem Morgen nach der Tat.

Das Alter der Beteiligten, die Brutalität – es passt zu dem, was in Schweden reflexartig an die nicht enden wollenden Bandenkriege denken lässt. „Wir können noch nicht sagen, ob es ein Konflikt im kriminellen Milieu ist, aber wir untersuchen das natürlich genau“, sagte Erik Åkerlund. Polizeichef der Region Uppsala.

Keine anständige Gesellschaft kann diese Art von Gewalt akzeptieren

Ulf Kristersson, Ministerpräsident von Schweden

Was er sagen konnte, während weiter intensiv ermittelt werde: Die Polizei bewerte dies als ein isoliertes Ereignis, für die Öffentlichkeit bestehe keine Gefahr. Er bezog sich damit auf die Sorge, es könne sich um einen Anschlag auf die Valborg-Festlichkeiten handeln.

Jugendliche werden für Mordaufträge rekrutiert

Es ist nicht der erste Mord unter Teenagern in Schweden. Wegen der geringen Jugendstrafen begannen Kriminelle schon vor Jahren und mit Erfolg, Jugendliche für Mordaufträge zu rekrutieren. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein Mord tagsüber an einem belebten Ort verübt wird. Erst im Januar hatten tödliche Schüsse tagsüber am Bahnhof der Stadt Lund sowie in einem Geschäft im nördlichen Stockholm der Bevölkerung das Gefühl gegeben, die Kaltblütigkeit der Täter sei weiter eskaliert.

Auch die konservativ-rechte Regierung, die die Bandengewalt unter Kontrolle bringen wollte und will, kann ihre Fassungslosigkeit zuweilen nur wiederholen. „Brutale und rücksichtslose Gewalt erschüttert erneut unser Land“, sagte Ministerpräsident Ulf Kristersson nach dem Dreifachmord von Uppsala. Die Polizei müsse nun ermitteln, was dahinterstecke, aber eins sei klar, so Kristersson: „Keine anständige Gesellschaft kann diese Art von Gewalt akzeptieren.“

Hohes Polizeiaufgebot in Uppsala

Die Schüsse fielen in einer Straße neben dem Marktplatz Vaksalas Torg, auf dem oft aus Foodtrucks heraus Essen verkauft wird. Neben dem Platz liegt das Kongress-Zentrum. Wer sich der belebten Gegend am Dienstagabend näherte, sah zunächst keine Anzeichen, dass um die Ecke wenigerStunden zuvor drei Menschen erschossen worden waren.

Erst in der Straße Hjalmar Brantingsgatan zeigt eine Absperrung mit blau-weißem Band einen Tatort an. Darum herum: Einfamilienhäuser und drei- bis vierstöckige Wohnhäuser in verschiedenen Farben. „Das ist eine ruhige Gegend hier“, sagt eine ältere Frau. Der Geruch eines blühenden Baumes liegt in der Luft. Kurz vorher flog noch ein Polizeihelikopter über der Innenstadt, jetzt ist das Schwirren einer Drohne zu hören. An einem Hauseingang befragen zwei Polizisten Einwohner.

Nur 20 Gehminuten vom Tatort entfernt dröhnt aus den Studentenclubs Musik. Vor einem davon geht die Schlange der auf Einlass wartenden Studis einmal um das ganze Gebäude herum. In den Parks gehen Menschen mit ihren Hunden spazieren. Auf den ersten Blick alles wie immer – aber die Menschen schauen auffallend mehr auf ihre Smartphones als sonst. Und: Es ist noch mehr Polizei unterwegs als sonst in dieser traditionsreichen Party-Woche.

Die Ende April in Uppsala immer verstärkte Polizeipräsenz nannte die Polizei Uppsala als Grund dafür, dass Einsatzkräfte sehr schnell am Tatort waren, nachdem mehrere Anrufer das Geräusch von Schüssen gemeldet hatten. Die Verfolgung des mutmaßlichen Täters habe man deshalb direkt aufnehmen können.

„Wir sind da. Verlasst euch auf die Polizei“

Augenzeugen hatten schwedischen Medien von einem maskierten Menschen erzählt, der auf einem E-Roller davonfuhr. Laut der Zeitung Dagens Nyheter wurde der 16-jährige Tatverdächtige gut zwei Stunden nach der Tat festgenommen – er war zu sich nach Hause gefahren.

„Bei allen Ereignissen dieser Art ist es wichtig, dass wir trotzdem unser Leben leben“, das sagte Åsa Larsson von der Polizei Uppsala am Mittwoch auch noch. „Wir sind da. Verlasst euch auf die Polizei, lebt aber ansonsten euren Alltag weiter. Feiert.“

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2 Kommentare

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  • Wie wir ja auch in deutschen Innenstädten überall sehen können, lösen so langsam die Barbershops die Sportwetten und Shishabars als Geldwäscheoption des organisierten Verbrechens ab.

    • @Šarru-kīnu:

      Was sehen sie den da?